1. E-Books Grundlagen

1Beim Digital Rights Management (digitale Rechteverwaltung) geht es im Prinzip um einen Kopierschutz. Mit Hilfe technischer Vorrichtungen soll die unkontrollierte Verbreitung von elektronischen Medien verhindert werden. Die Konzepte kennt man von anderen Medienformen wie Video oder Musikdateien. Wobei gerade dieser Bezug auch schon die Richtung der Kritik aufzeigt: Komplizierte Systeme, die eine sinnvolle Nutzung zu stark einschränken, können dazu führen, dass Nutzerinnen und Nutzer alternative Wege suchen und finden. Die Musikbranche wird gerne von Kritikern und Anhängern des Kopierschutzes ins Feld geführt, um Sinn oder Unsinn zu belegen. Den einen ging der Schutz zu wenig weit, was zum Entstehen alternativer Plattformen und Netzwerke führte, andere monieren, dass erst die zu strengen Restriktionen die Nutzer in diese Halb- oder Illegalität gezwungen haben. Letztlich hat sich in der Musikbranche nun ein sanfterer Weg durchgesetzt. Im Musikbereich waren Netzwerke und Content-Sharing-Plattformen wie Napster diese als illegal bekämpften Plattformen, im Bereich wissenschaftlicher E-Ressourcen ist es heute Sci-Hub. Tatsache ist, dass solche Plattformen die kommerziellen Anbieter unter Druck setzen. Die Frage ist allerdings, ob DRM die Lösung für die illegale Konkurrenz ist.

2Eine erste Frage stellt sich nach der Legalität oder Illegalität bestimmter Verwendungen von E-Medien. Hier ist zu beachten, dass das Urheberrecht in den einzelnen Ländern nicht identisch ist. Zudem sind diese Urheberrechtsgesetze aktuell an vielen Orten in Revision, und die Rechtslage könnte sich in naher Zukunft verändern. Tendenziell ist das Schweizer Urheberrecht konsumentenfreundlicher als zum Beispiel das Gegenstück in Deutschland. In der Schweiz ist es noch immer erlaubt, Werke für persönliche Zwecke zu kopieren und zu nutzen, auch wenn die Quelle nicht autorisiert ist (Stand anfangs 2017). Das heisst, die Nutzung von “illegalen” Plattformen für persönliche Zwecke ist in der Schweiz erlaubt. Auch die Nutzung von DRM-geschützten Werken auf verschiedenen Geräten ist erlaubt, was bedeutet, dass ich als Privatperson das DRM entfernen darf, um zum Beispiel ein bei Amazon gekauftes E-Book vom proprietären AZW-Format in ein offenes EPUB zu konvertieren und es auf einem anderen Gerät als einem Kindle zu lesen. Es ist aber nicht erlaubt, dass ich anderen vermittle, wie man dieses DRM entfernt. Es ist auch nicht erlaubt, urheberrechtlich geschützte Werke auf den erwähnten Plattformen hochzuladen und somit zu verbreiten. Wobei ich darauf hinweisen möchte, dass im Schweizer Recht erst dann eine verbindliche Aussage über Rechtmässigkeit gemacht werden kann, wenn ein Gerichtsentscheid vorliegt.

3In Deutschland wird gerade gegen die Reform des Urheberrechtsgesetzes protestiert, weil es starke Einschränkungen bei der Nutzung von E-Medien in der Lehre beinhaltet. Man kann also auch konstatieren, dass sich der Gesetzgeber mit den sich wandelnden technischen Voraussetzungen und den legitimen Ansprüchen verschiedener Interessengruppen ziemlich schwer tut. Zudem muss hier auch noch der Unterschied zwischen dem Kauf und Besitz eines gedruckten Buches und dem Kauf eines E-Books betont werden: Mit dem Kauf eines E-Books erwirbt der Käufer die Lizenz zur Nutzung des E-Books – vergleichbar mit dem Kauf einer Software. Entsprechend “besitzt” man ein E-Book nicht wie ein gedrucktes Buch. Der Inhaber der Urheber- oder Nutzungsrechte am E-Book (meistens ein Verlag oder eine Autorin/ein Autor) kann die Nutzung einschränken oder verhindern, dass Bibliotheken ein E-Book kaufen und an ihre Nutzer weitergeben dürfen. Gerade dieser Aspekt wird auf europäischer Ebene von Bibliotheken bekämpft: Sie fordern dieselben rechtlichen Bedingungen für E-Books wie für Bücher.

1.4.1 Funktionsweise von DRM

4Betrachten wir zunächst die Funktionsweise der verschiedenen DRM-Lösungen: Grundsätzlich dient ein DRM bei kommerziellen Angeboten dazu, die Nutzung auf einen individuellen Käufer zu beschränken. Dadurch wird die Weitergabe an Dritte (oft auch an Familienangehörige) verhindert, da nur auf Geräten, welche auf den Käufer des Mediums registriert sind, die entsprechende Datei gelesen werden kann. Zudem kann das DRM auch die Kopie oder den Print eines Dokuments einschränken oder verhindern. Man spricht auch von “hartem” DRM, das technische Vorkehrungen enthält und von “weichem” DRM, das nur visuelle Markierungen vorsieht. Beim “harten” DRM für E-Books sind es drei Systeme, die aktuell weit verbreitet sind: Adobe Adept, Apple Fair Play und Amazon AZW. Sie sind jeweils mit den Formaten der E-Books verknüpft.

1.4.2 Verschiedene DRM-Systeme

DRM: Adobe Adept

5Das am weitesten verbreitete DRM-System ist Adobe Adept. In der Regel wird es in Verbindung mit der Software Adobe Digital Editions eingesetzt (www.adobe.com/solutions/ebook/digital-editions.html). Mit Hilfe dieser kostenlos erhältlichen Software können E-Books mit dem Adobe-DRM auf PCs und Macs genutzt werden, und über bestimmte Apps, die das DRM entschlüsseln können, auch auf Tablets wie dem iPad – hier zum Beispiel mit der App Bluefire Reader.[1] Heute unterstützen alle E-Reader ausser die Kindle-Modelle dieses System.

6Adobe stellt eine Schnittstelle (bzw. API) zur Verfügung, damit die Software Dritter das System einbinden kann. Es wird in den meisten Online Bookstores verwendet (ausser Amazon und iBooks) und dient auch zur Steuerung des Zugriffs bei den für Bibliotheken relevanten Angeboten wie Onleihe, Overdrive, Ciando und bei Aggregatoren. Hier dient das DRM dazu, den Zugriff pro Nutzer zeitlich zu beschränken und auch Funktionen wie Kopieren und Drucken von Inhalten zu beschränken.

Screenshot: Dialog bei der Nutzung der Onleihe auf dem iPad mit der Software Bluefire Reader

7Grundlage für die Nutzung von Medien, die mit Adobe Adept geschützt werden, ist die Einrichtung einer individuellen Adobe ID. Wie erwähnt, dient das DRM der Einschränkung der Nutzung auf Individuen. Entsprechend ist ein individueller Account Voraussetzung. Mit diesem Account werden dann Geräte (PC, E-Reader) oder Software (Bluefire Reader) verknüpft.

Dialog beim E-Reader Tolino mit der Aufforderung zur Einrichtung einer Adobe ID

8Die Basis für den Account ist wiederum eine E-Mail-Adresse, die später nicht gewechselt werden kann. Um den Verlust des Zugangs zu vermeiden, sollte man also eine E-Mail-Adresse wählen, die dauerhaft Bestand hat. Zudem können nur sechs Geräte mit derselben Adobe-ID verbunden werden. Wobei ich persönlich – trotz vielen Testgeräten, die ich verwendet habe – noch nie ein Problem festgestellt habe. Eine Buchhändlerin, die im Support tätig war, begegnete dem Problem aber öfter: “Es kam öfter mal vor, dass wir bei bestimmten Nutzern feststellten, dass sie an “zu vielen” Geräten angemeldet waren – dann ging plötzlich nichts mehr. Wir konnten in die sogenannte Gerätecloud schauen und aus dieser Geräte herauslöschen.”[2]

9Auf der Seite des Anbieters (Verlag, Aggregator, Bibliothek) dient Adobe Content Server (ACS) dazu, die E-Books zu verschlüsseln und die Zugriffsrechte zu steuern. Beim Kauf eines E-Books wird die Adobe-ID des Käufers erfasst, diese dann mit den Geräten und Inhalten abgeglichen. Das E-Books ist dann auf allen registrierten Geräten gemäss der erworbenen Lizenz nutzbar.

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Abbildung: Funktionsweise von ACS und Adobe Cloud

DRM: Amazon AZW

10Obschon Adobes Kopierschutz auch von anderen Herstellern genutzt werden kann, haben sich Amazon und Apple für eigene Systeme entschieden. Beide dienen zusätzlich zum Kopierschutz auch als Instrumente für einen sogenannten “Vendor Lock-in”. Damit werden Kunden an einen Anbieter gebunden. Im Resultat können E-Books aus dem Hause Amazon nur auf Hardware (Kindle E-Reader) oder Software (Kindle App) von Amazon gelesen werden. Analog bei Apple, dazu mehr im nächsten Unterkapitel.

11Amazon setzt auf das E-Book-Format Mobipocket und kaufte 2005 die Firma. Auf der Grundlage von Mobipocket entwickelte Amazon ein eigenes Format AZW, wobei sich dieses durch ein eigenes DRM vom ursprünglichen Standard unterscheidet. Dieser verfügte offenbar auch schon über ein eigenes DRM. Nach dem Kauf der Firma wurde die Weiterentwicklung und der Support für Mobipocket nach und nach eingestellt.

12Auch bei Amazon werden die Geräte sowie die E-Books mit einer ID des Käufers verknüpft. Es können mehrere Geräte und Apps mit der Amazon-ID verbunden werden. Die Inhalte werden synchronisiert, so dass die aktuelle Position in einem E-Book auf dem einen Gerät auf die anderen übertragen wird. Mittlerweile verfügen die anderen Anbieter auch über diese Funktion, die zwar nützlich aber auch etwas unheimlich ist: Damit wird offensichtlich, wie viele Daten die E-Book-Anbieter sammeln und auswerten. Dadurch kann das Leseverhalten der Nutzer ausgewertet werden. Amazon hat auf diese Weise herausgefunden, dass längere Sachbücher oft nicht zu Ende gelesen werden. Und auf dieser Grundlage hat man das Produkt Amazon Singles lanciert, das kürzere Texte zu einem günstigen Preis bietet.

DRM: Apple FairPlay

13Apple setzt ein eigenes DRM für Medien aus den Apple Stores (iTunes, iBookstore) ein. Hier dient das DRM ebenfalls dazu, dass die bei Apple gekauften Medien nur auf der Hardware von Apple genutzt werden können. Allerdings hat gerade bei der Musik ein Umdenken stattgefunden, und die Dateien werden seit 2009 standardmässig ohne harten Kopierschutz angeboten. Bei den Videos und E-Books ist das anders. Auf den Apple-Geräten lassen sich mit Hilfe unterschiedlicher Apps eigentlich alle Formate und DRM verwenden, aber umgekehrt gilt dies nicht: Von Apple vertriebene E-Books können nur auf Apple-Geräten gelesen werden. Auch hier stellt das DRM sicher, dass die Medien und die Geräte mit der Apple-ID des Käufers verbunden sind. Es können 5 Computer für die Wiedergabe autorisiert werden.

14Als Format wird EPUB oder iBooks eingesetzt. Das Format iBooks entspricht weitgehend dem EPUB 3, ist aber proprietär. Beim Standard EPUB 2 sorgt das Apple FairPlay ebenfalls dafür, dass es nicht auf Lesegeräten von Drittanbietern genutzt werden kann.

“Weiches” DRM

15Unter dem Begriff “weiches” DRM versteht man Massnahmen, die nicht einen technischen sondern eher einen moralischen Kopierschutz durch soziale Kontrolle bieten. Dies kann mit Hilfe von sichtbaren oder unsichtbaren digitalen Wasserzeichen geschehen. Konkret werden Nutzerdaten oder die IP-Adresse im Dokument angezeigt. Dadurch wird bei der Weitergabe des E-Books ersichtlich, dass es von einer anderen Person erworben wurde. Taucht ein solches E-Book auf einer Tauschplattform auf, kann seine Herkunft zurückverfolgt werden.

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Abbildung: Screenshot von einem PDF mit sichtbarem Wasserzeichen am Seitenende

 

16Als Anbieter für digitale Wasserzeichen ist eBook DRM Server auf dem Markt aktiv (http://www.ebook-drm-server.com). Über eine Schnittstelle kann die Lösung bei den gängigen Webshops integriert werden. Beim Kauf wird vom DRM-Server eine personalisierte Version des E-Books mit den Daten vom Käufer und der Plattform als digitales Wasserzeichen erstellt. Im Endeffekt integriert dieses System ein sichtbares und ein unsichtbares digitales Wasserzeichen ins E-Book, wodurch der Käufer identifizierbar wird. Der Kunde erhält dann per E-Mail einen Link zum Download des E-Books.

17Im Wissenschaftsbereich wird üblicherweise kein hartes DRM eingesetzt, sondern ein digitales Wasserzeichen. Mit der Patron Driven Acquisition hat aber auch hier hartes DRM Einzug gefunden. Die Aggregatoren, welche PDA anbieten, nutzen für die Verwaltung der Rechte und Zugriffe bei heruntergeladenen PDF-Files in der Regel das System von Adobe. Das heisst, dass die sog. Kurzausleihen (Short Term Loans) oder auch die Einschränkung der Druck- und Kopierfunktion durch das DRM gesteuert werden. Und man benötigt als Nutzer eine Adobe ID und die Software von Adobe, um einen solchen Titel lesen zu können. Ausser ein E-Book kann nur im Browser betrachtet werden, dann kommen andere Technologien zum Einsatz. Offenbar gibt es aber Aggregatoren und Verlage, die von der Lösung mit dem harten DRM wegkommen.[3] Bei den Öffentlichen Bibliotheken mit dem System der “Ausleihe” von E-Books wird in der Regel Adobes DRM eingesetzt. Es steuert den zeitlich limitierten Zugriff auf das E-Book, ob es nun über Ciando, DiviBib oder OverDrive bezogen worden ist.

 

 

 


  1. Eine angekündigte LINUX-Version ist nicht realisiert worden.
  2. Als Kommentar im Open Peer Review eingegangen.
  3. Danke an Gregor Bangert für diesen Hinweis!

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